Cannabis Als Medizin

Die Abbildung zeigt Medizinalhanf.

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Cannabis gegen
chronische Schmerzen

Hanf (Cannabis Sativa L.) hat als Heilpflanze eine mehr als 2.000 Jahre alte Geschichte, jedoch haben Forscher die Wirkungsweise erst in den vergangenen Jahren verstärkt untersucht. Inzwischen konnten Wissenschaftler im Rahmen klinischer Studien mehrfach nachweisen, dass Cannabis gegen chronische Schmerzen helfen kann.
Der folgende Artikel informiert über wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirksamkeit von medizinischem Cannabis gegen chronische Schmerzen sowie über die Voraussetzungen für die ärztliche Verordnung, die Wirkungsweise und mögliche Nebenwirkungen.

Das Wichtigste zu Cannabis gegen Schmerzen im Überblick

  • Medizinisches Cannabis wirkt auf das Endocannabinoid-System und kann unter anderem gegen Schmerzen
  • Für die Wirksamkeit der Schmerztherapie mit medizinischem Cannabis liegt eine moderate wissenschaftliche Evidenz vor.
  • Die Inhaltsstoffe THC und CBD entfalten ihre schmerzlindernde Wirkung in der Regel am besten in Kombination.
  • Ärzte dürfen medizinisches Cannabis seit 2017 bei starken und chronischen Schmerzen Die Krankenkassen übernehmen die Kosten unter bestimmten Voraussetzungen.

Was ist medizinisches Cannabis?

Medizinisches Cannabis ist Marihuana in pharmazeutischer Qualität, das der Behandlung bzw. Linderung von Beschwerden oder Krankheitssymptomen dient. Die Cannabis-Behandlung gegen Schmerzen kann mit Blüten oder Medikamenten erfolgen, beide Anwendungsarten fallen unter das Betäubungsmittel-Gesetz. Im Vergleich zu gewöhnlichem Cannabis kann der THC-Anteil höher sein und bei THC-Kristallen bis zu 80 Prozent betragen.

Die medizinische Wirkung von Cannabis bei Schmerzen wird seit einigen Jahren intensiver erforscht, dabei geht es vor allem um die Inhaltsstoffe THC (Delta-9-tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol):

  • THC wirkt psychoaktiv, es entspannt, hilft gegen Schmerzen und berauscht.
  • CBD hemmt unter anderem Entzündungen und wirkt angstlösend.

Was ist das Endocannabinoid-System (ECS)?

Das körpereigene Endocannabinoid-System (ECS) ist Teil des Nervensystems und wurde erst in den 1990er-Jahren bei der Erforschung der Cannabinoide entdeckt. Es agiert als Vermittler zwischen Gehirn und dem Körper. Die pflanzlichen Cannabinoide interagieren mit dem ECS über zwei Varianten von Cannabinoid-Rezeptoren: Der Cannabinoid-Rezeptor CB1 beeinflusst das zentrale Nervensystem, die Leber und den Gastrointerstinaltrakt. CB2 wirkt hauptsächlich auf das Immunsystem. Das Endocannabinoid-System hat die Aufgabe, wichtige Funktionen des Körpers zu regulieren:

  • Es hält zum Beispiel bei der Stressverarbeitung die homöostatische Balance aufrecht.
  • Es ist an der Steuerung von Emotionen und Motivation beteiligt.
  • Darüber hinaus regelt es auch die Steuerung kognitiver Funktionen mit sowie Immun- und Entzündungsprozesse.

Cannabis eignet sich aufgrund der Wirkung auf das Endocannabinoid-System unter anderem als Medizin für die Schmerztherapie.

Cannabis kann zahlreiche Beschwerden lindern

Mehr als 100 Cannabinoide der Hanfpflanze sind bekannt. Die bekanntesten und am umfangreichsten untersuchten Varianten sind THC und CBD, die auf Rezeptoren des ECS wirken und sich gegenseitig beeinflussen. THC ist der primär psychoaktive Inhaltsstoff und kann bei Schmerzen, Übelkeit und Schlafstörungen helfen. CBD kann in Kombination mit THC die psychoaktive Wirkung ausgleichen und weitere Beschwerden lindern. Die allgemeine Wirkung von THC und CBD veranschaulicht die folgende Tabelle.

THC kann CBD kann
die Schlafqualität verbessern Entzündungen hemmen
die Symptome chronischer Schmerzen lindern die Symptome chronischer Schmerzen lindern
den Appetit anregen die Kontrolle von Anfällen bei refraktärer Epilepsie unterstützen
Übelkeit und Erbrechen im Rahmen einer Chemotherapie lindern antipsychotisch und antidepressiv wirken
die Spastizität bei Multipler Sklerose mindern als Angstlöser übermäßige Ängste mindern (Anxiolytikum)
neuroprotektiv wirken und das Gehirn sowie Nervensystem schützen
in Kombination mit Melatonin Schlafstörungen und Angstzustände verringern

Nach den Erfahrungen betroffener Schmerzpatienten mit medizinischem Cannabis und nach aktuellem Stand der Wissenschaft sind THC und CBD für die Schmerztherapie sinnvoll und wirken am besten in Kombination miteinander.

Studien zur Wirkung von Cannabis gegen chronische Schmerzen

Die Linderung chronischer Schmerzen nennen Patienten als häufigsten Grund für die Einnahme von medizinischem Cannabis. Die Schmerzen können unterschiedliche Ursachen haben. Zugrundeliegende Krankheiten können mit einer Nervenkrankheit (Neuropathie) verbunden sein, auch Schmerzen aufgrund von Krebs, bei Multipler Sklerose, rheumatischer Arthritis und verursacht durch eine Chemotherapie sind möglich. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass medizinisches Cannabis eine wirksame Behandlung bei chronischen Schmerzen darstellt:
In einer Studie von Ilgen et al. aus dem Jahr 2013 gaben beachtliche 87 Prozent der Teilnehmer an, dass sie medizinisches Marihuana im Rahmen einer Schmerztherapie zur Schmerzlinderung verwenden.
Whiting et al. untersuchten 2015 im Rahmen einer Metaanalyse die Ergebnisse von 28 Studien mit 2.500 Teilnehmern. Die Datenauswertung deutet darauf hin, dass pflanzen-basierte Cannabinoide die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Schmerzlinderung gegenüber der Kontrollgruppe um rund 40 Prozent erhöhen.
Wallace et al. kamen zu dem Ergebnis, dass die schmerzlindernde Wirkung bei inhalativer Anwendung von vaporisiertem Cannabis bei schmerzhafter diabetischer peripherer Neuropathie von der Dosis abhängt. Die hohe THC-Dosis zeigte die stärksten Effekte für die Schmerztherapie.
Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass einige Schmerzpatienten die Einnahme herkömmlicher Schmerzmittel wie Opiate durch Cannabis ersetzen können. Nach Boehnke et al. konnten Schmerzpatienten mithilfe von Cannabis die Einnahme von Opiaten um 64 Prozent reduzieren.
Eine Analyse von 10.000 Patientendaten in Israel im Jahr 2022 ergab, dass die Behandlung mit medizinischem Cannabis mit einer hohen Therapietreue einhergeht, die Lebensqualität der Betroffenen verbessert und die Schmerzen

Zusammengefasst: Für die Behandlung mit Cannabinoiden bei Schmerzen liegt eine moderate Evidenz vor. Demnach gehören starke Schmerzen zu den Hauptgründen für die Einnahme von medizinischem Cannabis, das zahlreiche Patienten gegenüber Opiaten bevorzugen. THC und CBD wirken den Ergebnissen zufolge am besten in Kombination und verstärken so den schmerzlindernden Effekt. Gleichzeitig sind die Nebenwirkungen der Schmerztherapie mit Cannabis im Vergleich zu Opiaten geringer.

Seit wann dürfen Ärzte medizinisches Cannabis verordnen?

In Deutschland dürfen Ärzte jeder Fachrichtung ohne weitere Qualifikation seit 1. März 2017 schwer kranken Patientinnen und Patienten medizinisches Cannabis unter anderem zur Schmerztherapie verordnen. Bei welchen Indikationen Cannabis als Medizin auf Kassenrezept verordnet werden darf, wurde dabei allerdings nicht genau umrissen. Mit der Neuregelung entfällt das vorherige Verfahren mit einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) für eine ärztlich begleitete Selbsttherapie. Medizinisches Cannabis erlebt seitdem einen Boom, vor allem in der Anwendung gegen Schmerzen. Der staatlich organisierte Verkauf von Cannabis aus Deutschland an Apotheken findet seit Mitte 2021 statt, zuvor wurde es aus Importen bezogen.

Unter welchen Voraussetzungen kann der Arzt Cannabis verschreiben?

Ob Cannabis für die Behandlung chronischer Schmerzen infrage kommt, hängt von den weiteren möglichen Therapien und der Abwägung der Nebenwirkungen ab. Es gelten strenge Voraussetzungen:

  • Der Patient oder die Patientin leidet unter einer schweren Erkrankung.
  • Es kommt keine andere medizinische Behandlung infrage.
  • Die Behandlung mit Cannabis lässt auf eine Linderung der Beschwerden hoffen.

Die Ärzte entscheiden, ob diese Voraussetzungen gegeben sind und holen die Genehmigung bei der Krankenkasse ein. In der Folge erhalten die Patienten zum Beispiel im Rahmen der Schmerztherapie ein sogenanntes Betäubungsmittel-Rezept. Das medizinische Cannabis wird dann zusätzlich zu anderen Medikamenten und nicht als Ersatz verschrieben.

Wann zahlen die gesetzlichen Krankenkassen die Cannabis-Behandlung bei Schmerzen?

In vielen Fällen übernehmen die Krankenkassen die Kosten einer Cannabis-Behandlung bei chronischen Schmerzen. Allerdings bleibt festzuhalten, dass die Versorgung durch die gesetzliche Krankenkasse laut einem aktuellen Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe (01/2022) erst in Betracht kommt, wenn „geeignete, allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden nicht mehr zur Verfügung stehen“. Hintergrund: Ein 27-Jähriger Patient mit chronischem Schmerzsyndrom hatte geklagt, weil das verordnete Mundspray Sativex mit Cannabis-Extrakten eine deutliche Verbesserung brachte, jedoch die Krankenkasse die Kosten nicht übernehmen wollte. Die Begründung für die Ablehnung: Die alternativen Behandlungsmöglichkeiten seien noch nicht ausgeschöpft. Dazu zählen in diesem Fall mit Problemen an Rücken und Beinen eine psychotherapeutische Mitbehandlung, Rehabilitationsmaßnahmen und aktivierendes Training. Wichtig: Für die bessere Versorgung von Schmerzpatienten hat die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) mit der AOK Rheinland/Hamburg im März 2022 einen neuen Vertrag abgeschlossen. Vertragsärzte mit Zusatzausbildung „Palliativmedizin“ oder „Spezielle Schmerztherapie“ können die Präparate einfacher verordnen, sie entscheiden jetzt ausschließlich und in Absprache mit ihren Patienten über die Therapie. Dies reduziert den bürokratischen Aufwand und die Wartezeit. Die Ärzte müssen dafür eine 20-stündige Zusatzausbildung „Schmerzkompetenz Cannabis“ absolvieren.

Mögliche Nebenwirkungen der
Cannabis-Behandlung

Cannabis ist kein Allheilmittel. Ärzte können es schwerkranken Menschen in Ausnahmefällen verschreiben. Die Einnahme von Cannabis kann verschiedene Nebenwirkungen zur Folge haben, dazu gehören:

  • Konzentrationsprobleme und Müdigkeit
  • trockene Augen und ein trockener Mund
  • Herzrasen, Herzbeschwerden oder ein plötzlicher Blutdruckabfall
  • Stimmungsschwankungen, Euphorie und Angst
  • gesteigerter Appetit
  • gesteigertes Risiko für die Entwicklung von Wahnvorstellungen
  • eine reduzierte psychomotorische Leistungsfähigkeit
  • Psychische Abhängigkeit ist möglich, bisherige Studienergebnisse konnten diesen Zusammenhang jedoch nicht eindeutig bestätigen.

Ein möglicher Grund dafür kann sein, dass die Studien nur über einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum durchgeführt wurden.
Bisher gibt es keine Berichte über lebensbedrohliche Nebenwirkungen nach der Einnahme von medizinischem Cannabis in pharmazeutischer Qualität. Aufgrund der Begleiterscheinungen bricht allerdings rund ein Drittel der Patientinnen und Patienten die Cannabis-Behandlung ab.
Hinweis: Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, psychischen Problemen und während der Schwangerschaft ist Cannabis nicht geeignet.

Die Einnahme und Wirkung von medizinischem Cannabis

Grundsätzlich können Patienten Cannabis oral aufnehmen oder durch Rauchen oder Verdampfen inhalieren. Das Verdampfen mit einem Vaporisator ist die empfohlene Alternative zum Rauchen. Welche Art der Einnahme besser geeignet, hängt auch vom Wunsch der Patienten und der Indikation sowie möglichen Begleiterkrankungen ab.

  • Patienten können das medizinische Cannabis in Blütenform als Tee zubereiten, im Joint rauchen oder mit einem Vaporizer vernebeln. Aufgrund der schädlichen Wirkung für die Lunge sollte es jedoch möglichst nicht geraucht werden, insbesondere nicht mit Tabak.
  • Anwender sollten vor allem zu Beginn der Behandlung und bei einer Erhöhung der Dosis nicht aktiv am Straßenverkehr teilnehmen.
  • Das Oromucosalspray Sativex® enthält THC und CBD, ist für die Begleitbehandlung bei Multipler Sklerose zugelassen und wirkt auch bei Patienten mit starken Schmerzen. In einer Studie des Instituts für Neurowissenschaften in Nürnberg berichteten mehr als 50 Prozent der von neuropathischen Schmerzen Betroffenen von einer signifikanten Schmerzlinderung. Aufgrund der begrenzten Indikation für „Behandlungen von Spastiken bei Multipler Sklerose“ kann Sativex jedoch im Gegensatz zu Blüten und Extrakten nicht einfach bei chronischen Schmerzen verschrieben werden.

Es hängt von der Art der Einnahme ab, wie schnell und wie lange das Cannabis wirkt. Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht.

 Inhalation (Rauchen, Verdampfen)Orale Einnahme
WirkeintrittSekunden bis wenige Minutennach 30 bis 90 Minuten
Eintritt der maximalen Wirkungnach circa 20 Minutennach 2 bis 4 Stunden
Wirkdaueretwa 2 bis 3 Stundenetwa 4 bis 8 Stunden

Wirkung von Cannabis bei Schmerzen und weiteren Beschwerden

Neben der schmerzlindernden Wirkung der Pflanzenwirkstoffe können diese auch Beschwerden bei weiteren Krankheiten mildern: Cannabis hilft nachweislich unter anderem

  • bei Epilepsie,
  • Übelkeit und Erbrechen aufgrund einer Chemotherapie sowie
  • gegen Muskelkrämpfe bei Multipler Sklerose.

Es mehren sich auch die Anzeichen, dass die Behandlung mit CBD und THC bei psychischen Erkrankungen sinnvoll sein kann. Medizinisches Cannabis kann unter Umständen bei ADHS, Angststörungen, Schlafstörungen und anderen Beschwerden helfen, wobei die Evidenz bisher gering ist. Weitere wissenschaftliche Studien sind in Arbeit.

FAQ: Häufige Fragen zum Thema „Medizinisches Cannabis bei Schmerzen“

Auf dem Schwarzmarkt verfügbares Marihuana (landläufig auch als Gras oder Weed bezeichnet) enthält in der Regel einen unbekannten Wirkstoffgehalt an THC und CBD. Zudem kann das illegale erhältliche Marihuana mit gesundheitsschädlichen Stoffen gestreckt sein. Der Anbau des medizinischen Cannabis erfolgt hingegen unter staatlicher Kontrolle, ohne Pestizide und nur mit spezieller Genehmigung. Zusätzlich findet eine Überprüfung des Wirkstoffgehalts und der Zusammensetzung im Labor statt.
Dronabinol ist die medizinische Bezeichnung für den Wirkstoff THC. Der Arzt kann statt ganzer Cannabis-Blüten Dronabinol gegen die Schmerzen verordnen. In diesem Fall gibt der Apotheker das bereits aus der Pflanze extrahierte THC als ölige Flüssigkeit an den Patienten weiter, alternativ sind auch Dronabinol-Tabletten mit unterschiedlich hohem THC-Gehalt erhältlich.
Im Rahmen einer ärztlich überwachten Therapie wurde bisher keine Abhängigkeit von Cannabis oder einem Medikament auf Cannabis-Basis bekannt. Allerdings können bei einem abrupten Ende der Cannabis-Behandlung geringe bis mäßig ausgeprägte Entzugssymptome auftreten.
Kontraindikationen liegen unter anderem bei Schwangeren und stillenden Müttern vor. Auch Menschen mit schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einer Psychose oder einer Persönlichkeitsstörung sollte bei Schmerzen kein Cannabis verordnet werden. Für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen liegen nur wenige Daten vor, Ärzte sollten die Vorteile und möglichen Nebenwirkungen daher sehr sorgfältig abwägen.

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